„Jetzt bin ich mein eigener Chef“

Im Gespräch mit Hörakustikmeisterin und Gründerin Sabine Hönighausen aus Hückeswagen

Sabine Hönighausen, Inhaberin Hörakustik Hönighausen in Hückeswagen
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„Jetzt bin ich mein eigener Chef“, sagt Sabine Hönighausen selbstbewusst und mit Stolz. Weil ihr vertrauensvolle Kundenbeziehungen und gutes Handwerk schon immer wichtig waren, und weil der Großfilialist, bei dem sie angestellt war, etwas ganz anderes von ihr verlangte, wagte sie den Start in die Selbständigkeit. Ihr Fachgeschäft in Hückeswagen (NRW) eröffnete sie vor knapp zwei Jahren mit Unterstützung durch Gründercoach Jürgen Leisten und den Individual Akustiker Service (IAS). Wie Sabine Hönighausen mit eigenem Fachgeschäft startete, erfuhren wir beim Besuch in der oberbergischen Kleinstadt.

 

Frau Hönighausen, wissen Sie noch, wann Sie erstmals daran dachten, sich selbständig zu machen?

 

Die Idee hatte ich schon, als ich als angestellte Meisterin noch super zufrieden war. Damals arbeitete ich bei Hörgeräte Lorsbach in einem Fachgeschäft in Köln am Neumarkt. Die Atmosphäre war fast familiär. Es war eine Zeit, in der ich sehr viel gelernt habe. Und man wurde nicht nur auf die Verkaufszahlen reduziert. Klar, wenn die Zahlen gut waren, hat man sich gefreut. Doch in schlechteren Phasen haben wir gemeinsam geschaut, was wir verbessern können. In jeder Branche gibt es doch mal schlechtere Phasen.

 

Später wurde das Geschäft verkauft. Erst blieb noch alles in Ordnung. Doch dann wurden wir von einem großen Filialisten übernommen. Als ich zu meinem Freund zog, wechselte ich von Köln in eine Filiale dieser Kette in Lüdenscheid. Dort wurde ganz anders gearbeitet, als ich es gewohnt war. Das war für mich persönlich so nicht machbar.

 

Wieso nicht?

 

Bis dahin hatte ich immer kundenorientiert gearbeitet. Doch dort war ich wie in einem Korsett: Nicht nach rechts und nicht nach links gucken, nicht denken, nur noch so viel wie möglich verkaufen. Ich sagte mir: „Okay, das kannst du allein besser.“

 

Natürlich, jeder will verdienen. Meine Erfahrung ist jedoch, wenn man sich Zeit für die Kunden nimmt und sie gut betreut, dann sind sie auch eher bereit, etwas zu kaufen. Und wenn sie sich für ein Kassengerät entscheiden, dann wählen sie vielleicht beim zweiten Mal eine hochwertigere Lösung. Oder sie bleiben beim Kassengerät; Hauptsache, sie sind zufrieden. Ich wollte mich selbständig machen, um weiterhin so arbeiten zu können, wie ich es immer getan hatte. Jeder, der mein Geschäft betritt, soll das Gefühl haben, wirklich wahrgenommen und gut betreut zu werden. Auf keinen Fall diese Massenabfertigung! 

Wie sind Sie bei der Gründung vorgegangen? Hatten Sie ein Konzept?

 

Tatsächlich hatte ich gar nichts. Ich hatte Kontakt zu René Scheuern, einem früheren Kollegen aus Köln. Wir kamen wieder ins Gespräch und er empfahl mir den Kontakt zu Herrn Leisten. Ich schrieb ihn an. Er hat sofort reagiert, zwei Tage später gab‘s das erste Telefonat, bei dem er alles abgeklärt hat. Er wollte wissen, wie ich mir das vorstelle, und er hat mir diesen Schritt zugetraut. Dann ging es Schlag auf Schlag.

 

Er gab mir eine Struktur vor, an der ich mich orientieren konnte. Eine Art Formular, das ich schrittweise ausgefüllt habe; Zahlen, Fakten, die Planung für den Laden, Fotos vom Standort. Manches war schwierig, weil es sich noch gar nicht fassen ließ. Man weiß ja noch nicht, wie es sich nach der Eröffnung entwickelt. Man hängt die Zahlen sozusagen in den Himmel. Ich habe ihm meine Unterlagen immer wieder geschickt und wir sind es zusammen durchgegangen - nach meinem Feierabend oder in der Mittagspause, am Telefon oder per Video-Call. Er hat mir erklärt, wo ich nachbessern muss. Und uns beiden war wichtig, dass ich alles verstehe und selbst entscheide. Ich hab mir keinesfalls gesagt: Er macht das schon…

 

Wie kamen Sie nach Hückeswagen? Kannten Sie den Ort?

 

Anfangs nur, weil ich mit meinem Freund ein paar Mal hier war. Hückeswagen hatte mir gleich gefallen; das Schloss, die schönen Schieferhäuser. Ursprünglich wollte ich aber woandershin. Herr Leisten fragte, in welchem Umkreis ich eröffnen möchte, und ich nannte ihm meinen Wunschort. Der war nicht schlecht. Aber dort hatte schon ein größerer Filialist Interesse gezeigt, also war es riskant. Sobald man eröffnet, kann es passieren, dass der andere in unmittelbarer Nachbarschaft gleichfalls einen Laden aufmacht – nur um sein Revier zu markieren.

 

Wir haben es lieber gelassen und Herr Leisten erstellte eine Standortanalyse, quantitativ und qualitativ. Favorisiert wurden zwei weitere Orte. Als ich die Analyse hatte, bin ich gleich mit meinem Freund losgefahren, um mich umzugucken. Beim ersten Ort war für mich sofort klar: Hier brauchst du gar nicht anfangen. Die Zahlen waren nicht schlecht, aber es fehlte die Infrastruktur. Nichts als eine hoch frequentierte Durchfahrtsstraße. Und der zweite Standort war relativ groß; nach meinem Gefühl zu groß. Als daraufhin Herr Leisten schrieb, Hückeswagen ginge auch noch, wusste ich gleich: Das ist es. Es gibt doch solche Momente, in denen man weiß, das muss es sein. Also habe ich ihn angerufen und gefragt, ob er sich das gemeinsam mit mir anschaut. Er hat schon so viele Läden geplant, deshalb wollte ich seine Meinung hören.

 

Und die fiel positiv aus?

 

Ja. Keine Woche später haben wir uns getroffen. Kaum angekommen meinte er: „Hier müssen Sie sich selbständig machen. Und jetzt suchen wir Ihnen einen Laden.“

 

Wir sind tatsächlich durch die Straßen gelaufen und haben bei jedem freien Ladenlokal geklingelt. Ohne ihn hätte ich das niemals gemacht. Ich hätte im Internet gesucht. Aber er sagte: „So funktioniert das nicht.“ – Wir haben in der Sparkasse gefragt, weil nebenan was frei war. Wir haben drei oder vier Ladenlokale angesehen. Es gab eine alte Metzgerei; in der hätte man sehr viel umbauen müssen. Doch von dort schickte man uns hierher. Damals war das ein Geschäft für Kinderbekleidung. Deshalb war es uns auch nicht aufgefallen. Doch im Schaufenster klebte ein Schild, ganz klein in der Ecke: „Ladenlokal zu vermieten.“ Der Vermieter saß gleich nebenan. Er hat uns alles gezeigt. Der Laden war nicht ausgebaut, nur ein langer Schlauch. Jede Menge Parkplätze davor. In unmittelbarer Nähe das Rathaus, ein Aldi, die Eisdiele, Cafés. Herr Leisten hat immer nur zustimmend genickt, und ich habe sofort den Mietvertrag unterschrieben. Dabei hatte ich noch gar keinen Kredit.

War das nicht riskant?

 

Es war schon ein bisschen auf Kante. Wobei ich aus dem Vertrag notfalls wohl wieder rausgekommen wäre. Ich dachte, mit dem Geld, das bekommen wir hin.

 

Für die ganze Finanzierung stellten wir zwei Anträge - einen bei einer Bank und einen bei einem Hersteller. Anfangs war ich im Gespräch mit der Bank, doch das hat Nerven gekostet. Zum Glück kam Herr Leisten bald darauf mit der Info, dass der Hersteller die Finanzierung genehmigt. Ich konnte dem Berater absagen und mich an den Ausbau des Ladens machen.

 

Wie aufwändig war das?

 

Es musste komplett neu gebaut werden. Herr Leisten vermittelte mir eine Innenarchitektin, die alles geplant hat. Ich habe Wände einziehen und die Elektrik verlegen lassen. Das andere haben wir selbst gemacht. Ich war gerade raus aus meinem Arbeitsvertrag, habe den Fußboden verlegt, lang und viel gestrichen, die kleine Sitzecke eingerichtet, die ein bisschen nach gemütlichem Wohnzimmer aussieht. So was wollte ich immer haben.

 

Wie mein Laden Gestalt gewann, war ziemlich interessant. Es gab so eine Findungsphase. Man stellt Farben und Strukturen zusammen und merkt plötzlich: „Nein, das geht gar nicht!“ Aber eigentlich hatte ich Glück. Ich hatte einen super Trockenbauer. Die Handwerker hatte mein Vermieter vermittelt, und sie hatten auch alle Zeit. Als wir anfingen, im Februar, waren gerade minus 19 Grad. Nach zwei Tagen standen die Wände, dann folgte der Rest.

 

Ergebnis ist ein schönes, helles Ladenlokal mit einer Messkabine. Außerdem gibt’s eine Wendeltreppe?

 

Ich sage immer, das ist meine Zaubertreppe. Nur dass es oben nicht noch schöner wird… Dort habe ich die gleiche Fläche noch einmal. Ich habe alles gemietet, jedoch erstmal nur unten renoviert. Im Moment reicht eine Kabine. Aber ich habe noch Platz, um zu wachsen. Kunden, die gut zu Fuß sind, kann ich später oben betreuen.*

Hörakustikfachbetrieb Hörmanufaktur Gabriel Gebäude von innen
Hörakustikfachbetrieb Hörmanufaktur Gabriel Gebäude von außen

Wieviel Zeit brauchten Sie von der ersten Planung bis zur Eröffnung?

 

Ungefähr sechs Monate. Mein erster Kontakt mit Herrn Leisten war im Oktober 2020 und die Eröffnung am 24. April 2021, also vor knapp zwei Jahren.

 

Und innerhalb dieser sechs Monate? Sind Ihnen da niemals Zweifel an Ihren Plänen gekommen?

 

Große Sorgen hatte ich nie. Auch da hat mich Herr Leisten wunderbar abgeholt. Hinzu kam, dass sich zur gleichen Zeit mehrere in meinem Freundeskreis selbständig machten. Das hat mich gepusht. Und ich habe mich oft mit René Scheuern unterhalten. Auch das hat geholfen. Er meinte zum Beispiel: „Biene, mach dir keine Gedanken über den Kredit. Den bekommst du locker gestemmt.“ - Heute weiß ich, dass er Recht hatte. Aber ich hatte auch Glück. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und ich war mutig genug.

 

Im April 2021 war Corona noch ein großes Thema?

 

Auch darüber habe ich mir kaum Gedanken gemacht. Die Hörakustik war bereits „systemrelevant“. Also sagte ich mir, dass die Einbußen nicht so groß sein werden. Nur am Tag vor der Eröffnung war ich kurz vorm Durchdrehen. Plötzlich wusste ich: Jetzt wird es ernst. Was, wenn die Kunden nicht kommen!? Andererseits war ich vor meiner Gründung so unzufrieden. Es konnte nur besser werden. Und eigentlich wusste ich, dass ich es schaffe: Der Standort ist gut und die Kunden werden mich akzeptieren.

 

Das klingt vielleicht überheblich, aber es war so. Und der Start war wirklich sehr gut. Der Eröffnungstag war ein Samstag. Wegen der Pandemie konnte ich leider nicht viel machen. Ich hatte alles mit dem Ordnungsamt abgeklärt. Meine Freunde durften immer nur für eine Stunde bleiben. Auch einige Kunden waren da. Die ersten Termine bekamen ein Blümchen. Aber Termine hatte ich schon, bevor ich überhaupt eröffnet hatte.

 

Haben Sie viel geworben?

 

Ja. Und ehrlich gesagt, habe ich mich anfangs fast hingesetzt, weil ich nicht wusste, wie teuer Werbung ist. Aber es hat sich gelohnt. Damit man das Geschäft sieht, hatte ich die Schaufenster beklebt und eine Luftballon-Girlande aufgehängt. Auch die Homepage war schon online. Dadurch kamen erste Anfragen. Außerdem hatte ich eine Postwurfsendung. Und ich habe überall Plakate aufgehängt. Die hatte mir die Grafik-Abteilung des IAS gestaltet. Ich habe gesagt, wie ich es gerne hätte: klar und ein bisschen edel. Das wurde prima umgesetzt. Außerdem habe ich einen Beitrag in der Tageszeitung geschaltet und die Zeitung hat von sich aus mehrmals über mich berichtet. Das war super. Schon durch die Postwurfsendung sind viele gekommen.

 

Wie sieht Ihr lokaler Wettbewerb aus?

 

Es gibt noch ein Fachgeschäft, das war früher inhabergeführt und gehört jetzt dem gleichen Großfilialisten, bei dem ich angestellt war. Diese Nachbarschaft bietet mir die Chance, mich durch Individualität abzuheben. Ich fahre mein eigenes Konzept, viele Dinge, die große Ketten eher nicht anbieten. Ich passe viele Im-Ohr-Systeme an. Wer einen Hörverlust hat, der wird vollständig durchgemessen. Mir verlässt keiner den Laden ohne Perzentilanalyse. Es wird auch keine Knochenleitung geschludert. Und ich erkläre jedem, was ich da mache. Jeder soll soviel davon verstehen, dass er es zu Hause der Familie erklären kann. Transparenz ist mir wichtig. Das alles macht viel aus.

 

Hinzu kommt, wie ich bin und auf die Kunden zugehe. Das klingt vielleicht doof, aber es stimmt. Ich bin offen, direkt, nicht immer perfekt, aber professionell, kompetent. Meist hab ich einen lockeren Spruch auf den Lippen. Sicherlich gibt es auch Kunden, die im anderen Geschäft zufrieden sind. Die sollen dann auch bitte dort bleiben. 

Der IAS bietet eine Reihe exklusiver Service- und Produktmarken, mit denen man sich lokal differenzieren kann. Nutzen Sie die auch?

 

Ja, mehrere. Ich nutze die „Im-Ohr-Manufaktur“, da ich sehr viele IdOs anpasse. Ich nutze das AUDIEMUS Hörtraining und die Sympatico Hörgeräte. Es gibt noch mehr. Das Hörwelten-Konzept Parcours® des Hörens, bei dem man unterschiedliche Szenerien schon im Geschäft erleben kann, finde ich ebenfalls toll. Doch dafür müsste ich mehr Platz haben. Und für den Anfang reichen mir die drei Marken. Die muss man ja auch leben. Und ich muss dahinterstehen, sonst merken das die Kunden sofort. Das war bei mir schon immer so.

Der IAS unterstützt mich aber auch noch in vielen anderen Bereichen. In der Anfangsphase hatte ich so oft Fragen. Als ich im Handelsregister stand, kamen z. B. merkwürdige Rechnungen; die wollten bis zu 900 Euro. Aber Herr Leisten meinte gleich, das ist eine übliche Betrugsmasche. Er, Frau Reuber und das Team kümmern sich immer und sehr schnell, auch am Wochenende. Andererseits wird man komplett in Ruhe gelassen. Ich entscheide alles selbst. Doch wenn ich Fragen habe, ist jemand da. Patrick Herrmann zum Beispiel. Er war damals in meiner Berufsschulklasse, und er hat in kurzer Zeit ganz viele Läden eröffnet. Den ziehe ich gerne zu Rate, wenn ich einen Tipp brauche.

 

Was ist Ihre größte Herausforderung?

 

Gut ausgebildetes Personal zu finden. Aktuell habe ich super qualifiziertes Personal, mit dem ich mehr als zufrieden bin. Unser Team wird immer größer und bald sind wir zu fünft. Eine Meisterin, eine Gesellin, eine Servicekraft, eine Auszubildene und ich.

 

Ich bin sehr froh ein so tolles Team zu haben. Zuvor gab es auch da mal einen Fehlgriff, aber das ist ok, denn man lernt ja nie aus! Bei der Personalsuche hilft der IAS ebenfalls. Aber gutes Personal findet man nicht leicht. Es ist gut, Mitarbeiter zu haben, auf die man sich verlassen kann und die mich auch mal vertreten können. Dann kann ich auch zu den IAS-Treffen fahren. Die Schulungsangebote sind interessant und man kann sich mit Gleichgesinnten austauschen.

 

Letzte Frage: Was würden Sie Kollegen empfehlen, die ebenfalls erwägen, ein Geschäft zu eröffnen?

 

Einfach machen. Sie sollten sich jedoch bewusst sein, dass es am Anfang hart ist. Man hat lange Arbeitstage, meist auch am Wochenende. Und der Standort ist das A und das O. Da braucht man Glück. Und wenn sich was ergibt, muss man zuschlagen. So wie bei meiner Suche nach dem Ladenlokal. Auch die Entscheidung für den IAS war gut. Eine solche Unterstützung kann ich jedem Gründer nur empfehlen. Bislang ist wirklich zu 100 Prozent eingetreten, was Herr Leisten mir angekündigt hatte. Nur eines nicht. Er meinte, dass irgendwann nach der ersten Phase ein Loch kommt und die Nachfrage etwas zurückgeht. So ein Loch hatte ich noch nicht. Schlaflose Nächte hatte ich auch keine.

 

Frau Hönighausen, haben Sie vielen Dank für das interessante Gespräch!